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Wie Unsichtbarmachung von Transsexualität abläuft. Beispiel: LSVD Baden-Württemberg.

Es wurde ja schon oft von uns darauf hingewiesen, dass Identität und Körper zwei unterschiedliche Dinge sind. Es mag Variationen der Identität geben, aber bei Transsexualität geht es um eine Variation des Körpers (Vereinfacht: Der Körper weicht vom Geschlecht ab). Es scheint aber immer noch so zu sein, dass Organisationen und Vereine dies nicht anerkennen wollen. Ein Gespräch mit dem LSVD (Lesben- und Schwulenverband) Baden-Württemberg zeigt, welcher Unsichtbarmachung Menschen mit Transsexualität ausgesetzt sind.

Der LSVD Baden-Württemberg schreibt zur Eröffnung der Landesantidiskriminierungsstelle Baden-Württemberg am 7.11.2018 auf seiner Website folgendes:

„Wir als LSVD Baden-Württemberg erhoffen uns von der Arbeit der neuen LADS auch Daten und Dokumentation; beides ist als Grundlage unserer Arbeit wichtig. Zum Beispiel gab es im Jahr 2017 mehr als 300 Delikte im Bereich der sogenannten Hasskriminalität, von Beleidigungen bis hin zu sehr konkreter Gewalt. Wie viele davon sich gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- oder queere Menschen gerichtet haben, ist nicht erfasst. Statistiken darüber und mehr Dokumentation von Diskriminierungserfahrungen würden aber dafür sorgen, dass auch die Arbeit des LSVD sich besser legitimieren kann, dass man gemeinsam auf Erfahrungswerte zurückgreifen und letztlich auch andere Organisationen, beispielsweise eine regionale Beratungsstelle, besser unterstützen kann.“

Transsexuelle Menschen haben daraufhin bei Facebook weiter nachgefragt...

Kim Schicklang: „Wo sind denn da intersexuelle und transsexuelle Menschen ;-)“

...und wiesen darauf hin, dass auch in der Broschüre der (A)DS in Baden-Württemberg Menschen mit Transsexualität nicht vorkommen.  In der Broschüre dieser (A)DS sind sie dann gleich mal wegdefiniert worden:

"Trans-Menschen bezeichnet Menschen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde"

Dass dieser Sachverhalt diskriminierend ist, da Menschen mit Transsexualität ein Körper- und kein Identitätsthema haben, wurde dann vom LSVD Baden-Württemberg so kommentiert:

LSVD: „Danke für den Hinweis, tragen wir nach. Sollten natürlich nicht nur mitgemeint sein, sondern auch tatsächlich genannt. Nicht alles geht immer nur mit 'queer'.“

Das klingt dann natürlich erst einmal schön. Aber. Es geschah: Nichts.

Rosi Hach: „Ich lese da nach 9 Stunden immer noch '... Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- oder queere Menschen …' Auch frage nicht nur ich mich, wie denn dieses 'trans*Menschen' (spricht sich Transmenschen) gemeint ist? So wie 'Behinderte'? - An Stelle von 'Menschen mit Behinderung'?“

Auch nach zwei Tagen ist noch nichts passiert.

Rosi Hach: „.... zwei Tage später .....“

Marion Lüttig vom LSVD antwortete darauf dann:

LSVD: „Liebe Rosi, du kennst die Debatten nur zu gut. In BaWü hat sich LSBTTIQ eingebürgert, woanders Trans*. Führe doch die Debatte dort wo sie hingehört: direkt beim Post der Antidiskriminierungsstelle, bitte.“

Rosi Hach: „Ja, aber hier schreibt doch der LSVD Baden-Württemberg e.V.. Die Aussage von dort war ja:  'Danke für den Hinweis, tragen wir nach. Sollten natürlich nicht nur mitgemeint sein, sondern auch tatsächlich genannt. Nicht alles geht immer nur mit 'queer'.'“

LSVD: „Rosi Hach Well, es geht aber um Texte der Antidiskriminierungsstelle. Daher bitte die Debatte dort führen.“

Darauf verwies Rosi darauf, dass der Text ja vom LSVD Baden-Württemberg stammt, der in seinem Text schrieb: „Wie viele davon sich gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- oder queere Menschen gerichtet haben, ist nicht erfasst.“

Rosi Hach: „Um genau das ging es und dazu wurde ja dann auch gesagt: 'Danke für den Hinweis, tragen wir nach'. ... zudem wäre es ja schön, wenn Dinge geschehen, nicht weil sich das so 'eingebürgert' hat, sondern weil es nachvollziehbare Gründe und Betrachtungen dafür gibt. Da ist dann 'TT' nicht gleich 'T' ...... und das hat ja seine guten Gründe (!).“

Viele Menschen mit Transsexualität empfinden es als übergriffig und fremdbestimmend, wenn ihnen eine Geschlechtsidentitätsthematik übergestülpt wird. Die meisten Menschen mit Transsexualität wollen Hormone oder Operationen und in ihrem eigenen Geschlecht anerkannt werden. Transsexualität ist ein Körperthema. Das heisst nicht, dass dieses Thema nicht mit anderen Themen überlappen kann, wie Beispielsweise „Geschlechtsidentität“, aber: Identität und Körper sind immer zweierlei.

Kim Schicklang (zitiert die Aussage des LSVD): „'In BaWü hat sich LSBTTIQ eingebürgert, woanders Trans*.'

Was soviel heisst wie, dass die Unsichtbarmachung transsexueller Menschen woanders eben totaler ist. Es genügt ja zu schauen wie 'trans*' definiert ist: Es wird als Frage der 'Geschlechtsidentitäten' gesehen. Darum geht es bei Transsexualität aber nicht. Nun gibt es sicher immer die Möglichkeit, so zu tun, als sei das nur eine Frage der Bezeichnungen... das ist angesichts dessen, dass in feministischen Kontexten Sprache als Machtmittel entlarvt ist, ja eher ein schlechtes Argument. Sprache kann unsichtbar machen. Und das ist in diesem Fall so. Weil eben ein Körper nicht dasselbe ist, wie Identität.

Ich verstehe auch gar nicht, warum bei dieser Frage die Solidarität dann ausbleibt, obwohl es doch ein ur-feministisches Anliegen ist, sowohl Machtmissbrauch durch die Konstruktion von Gender-Identität sichtbar zu machen, als auch sich solidarisch mit denen zu zeigen, die durch Idenitätskonstruktionen konkret benachteiligt oder sogar ausgegrenzt werden. Da erwarte ich von Menschen, die hier einigermassen sensibilisiert sind nicht nur ein Schulterzucken, sondern, dass sie sich einsetzen dafür, um an diesen Machtmissbräuchen etwas zu ändern.“

LSVD: „ Liebe Kim, ich möchte hier gar nicht weiter diskutieren, wir orientieren uns hier u.a. an der Sprachregelung des Bundesverband Trans“.

Und damit schliesst sich dann der Kreis. Auf die Kritik an der Unsichbarmachung transsexueller Menschen (das fehlende zweite T) wird mit Unsichtbarmachung reagiert („ich möchte hier gar nicht weiter diskutieren“) und auf diejenigen verwiesen, die Transsexualität unsichtbar machen und zu einer Frage der Identität (oder der Bezeichnung von Identitäten) umdefinieren.

Vielleicht sollte an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass wir kein Problem damit haben, wenn Menschen ein Geschlechtsidentitätsthema haben. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn Menschen, die dieses Lebensthema haben, zusammenschliessen und in ihrem Sinne politische Einflussnahme betreiben. Es ist aber spätestens dann nicht mehr in Ordnung, wenn diese politische Einflussnahme dazu führt, dasss Menschen, die kein Geschlechtsidentitätsthema haben – und dazu zählen eben auch transsexuelle Menschen – systematisch unsichtbar gemacht werden.

Zu Menschenrechtsverletzungen wird diese Unsichtbarmachung dann, wenn aus dieser unsichtbarmachende politische wie medizinische Praktiken folgen. Dazu gehört dann beispielsweise, medizinische Behandlungen wie die Hilfe mit Hormonen oder Operationen an eine Geschlechtsidentitäts-Behandlung zu knüpfen, bei der dann „Identität“ der Kern des Behandlungsgegenstandes ist und nicht die konkrete und unmittelbare medizinische Hilfe. Dazu gehören aber auch „Sprachregelungen“, die dazu führen, dass beispielsweise Frauen mit körperlichen Variationen zu Männern mit abweichender Geschlechtsidentität umdefiniert werden. Beides begegnet uns in letzter Zeit wieder häufiger.

Wir fordern den LSVD und andere Lesben-Schwulen-Organisationen dazu auf, die Unsichtbarmachung transsexueller Menschen umgehend zu beenden.