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Nicht-Nennung des zweiten Ts ist der Heucheltest

Ob Menschen, die von "Vielfalt" sprechen, diese Vielfalt auch meinen, lässt sich ganz leicht daran erkennen, ob sie bereit sind anzuerkennen, dass Körpermerkmale vom Geschlecht eines Menschen abweichen können, oder nicht. Sprich: Die Unterscheidung von Transsexualität und Transidentität macht einen grossen Unterschied. Anhand einer Broschüre des Waldschlösschens, die unter Verantwortung von Annika Spahn (aus Freiburg) und Juliette Wedl herausgegeben worden ist, lässt sich dies wunderbar demonstrieren.

Vorneweg: Transsexualität meint, dass ein Körper vom Geschlecht abweicht. Der Körper ist dann transsexuell. Der Mensch mit diesem Körper ein transsexueller Mensch. Die Existenz eines Menschen mit Transsexualität wird dann anerkannt, wenn anerkannt wird, dass jeder Mensch sein Geschlecht kennt. Dieses Geschlecht ist bedeutender, als die Gender-Zuordnung nach der Geburt, die auf Grund der Deutung von Körperteilen abläuft.

Nennen wir das Geschlecht, das ein Mensch kennt, Sexus und die Zuteilung nach der Geburt Gender. Das heisst: Ein Mensch kennt sein Geschlecht - ein Aussenstehender kann lediglich geschlechtlich interpretieren oder deuten (eine Deutung die auf kulturellen Normen und Vorstellungen basiert). Die Praxis der Deutung von Geschlecht ist immer übergriffig, spielt aber so lange keine Rolle, bis ein Mensch sich zu sich selbst äussert. Äussert sich ein Mensch dann irgendwann entgegen der Deutung, entsteht ein Konflikt.

Die Frage ist nun: Wer hat ein besseres Wissen über das Geschlecht?

Wenn nun davon ausgegangen wird, dass es der Mensch selbst ist (wir tun das), dann heisst das in Konsequenz, dass die Deutung/Zuweisung falsch gewesen ist. Und das ist wichtig: Wenn nun anerkannt werden soll, dass Menschen ihr Geschlecht selber am Besten kennen, muss das Framing, das zwangsläufig durch die Deutung entstanden ist, als falsch bzw. fehlerhaft markiert und verdeutlicht werden. Bleibt dies aus, wird die Praxis der Zuweisung nicht in Frage gestellt.

Nun zu der Unsichtbarmachung von Transsexualität durch die Broschüre des Waldschlösschens. Sie nennt sich "Schule lernt/lehrt Vielfalt" und die Autorinnen meinen, "praxisorientiertes Basiswissen und Tipps für Homo-, Bi-, Trans- und Inter*freundlichkeit in der Schule" zu vermitteln. Der Titel riecht nach Unsichtbarmachung von Vielfalt. Schauen wir näher hin. Dort ist beispielsweise folgendes zu lesen:

"Die zugrundeliegende Idee, dass die Menschen in ihrer Welt in der Regel in zwei Geschlechter eingeteilt werden, beginnen Kinder erst ab einem Alter von etwa zweieinhalb Jahren kognitiv zu begreifen. Erst dann können sie sich auch selbst einem Geschlecht zuordnen („Geschlechtsidentität“). In dieser Zeit differen­zieren und benennen sie aktiv das Geschlecht anderer Menschen. Kinder konstruieren und ordnen ihr Wissen über für Mädchen bzw. Jungen ange­messenes Verhalten in Geschlechtsschemata. Diese werden insofern handlungsleitend, als Kinder sich meist verstärkt mit den Aktivitäten und Objekten (wie Spielzeug) beschäftigen, die sie als bedeutsam für ihr eigenes Geschlecht sehen. In der Regel be­vorzugen sie dabei geschlechtstypisches Verhalten und lehnen geschlechtsuntypisches Verhalten ab, beides mitunter recht rigide."

Die Vergeschlechtlichung von Spielzeug wird einfach hingenommen. Es werden Verhaltensweisen als "geschlechtstypisch" und "geschlechtsuntypisch" angesehen. Auch dies wird hingenommen. Und es erinnert an Spielzeugdiagnosen des DSM V, dem Manual der psychischen Störungen, in welchem von "Gender Dysphorie" zu lesen ist, was dann in etwa der "Gender Inkongruenz" entspricht, der Diagnose des zukünftigen ICD11, die von Trans*-Verbänden, Medizinern und Psychiatern aktuell massiv beworben wird. Es erinnert uns an Kenneth Zucker und John Money.

Auf einer weiteren Seite der Broschüre heisst es:

"Eine trans Frau ist eine Frau, die bei ihrer Geburt aufgrund ihrer Genitalien dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurde."

Das mag zwar seine gewisse Richtigkeit besitzen. Aber dieser Satz ist im Glossar zu finden. Also dort, wo Gegebenheiten über Sprache definiert werden. Die Zuweisungspraktik wird nicht in Frage gestellt. Es wird auch nicht gesagt, dass diese Zuweisung falsch gewesen sein kann. Auch das wird einfach hingenommen. Doch die Praxis der Zuweisung ist bereits gewalttätig.

Zu Intersexualität, die in der Broschüre kategorisierend "Intergeschlechtlichkeit" genannt wird heisst es zu Personen, die "nicht eindeutig weiblich oder männlich sind, werden intergeschlechtlich genannt" und in Erklärkästen wird sogar behauptet, man operiere intersexuelle Kinder zu "meistens dem weiblichen" Geschlecht um. Es wird in die Geschlechterkategorie "Intergeschlecht" einsortiert, ohne dass die Praxis der Deutung irgendwie in Frage gestellt wird. Zusätzlich wird kategorisiert und zugewiesen.

Die Perspektive, welche die Autorinnen einnehmen ist eine Draufsicht - und selbst eine zuweisende Perspektive. Es ist eine Perspektive, in der so getan wird, als ginge es ihnen um Selbstbestimmung. Gleichzeitig wird in Kategorien wie "transgeschlechtlich" und "intergeschlechtlich" eingeteilt, ohne diese Einteilungen zu reflektieren. Dass Transsexualität in der Broschüre fehlt, ist nachzuvollziehen. Transsexualität anzuerkennen würde erfordern, den zuweisenden Blick - den die Autorinnen auch haben (auch sie teilen zu) - zu beenden. Wer Transsexualität nicht nennt, dem geht es aber darum nicht.

An der Nichtnennung oder Nennung von Transsexualität lässt sich erkennen, ob "Akzeptanz", "Toleranz" "Vielfalt" und "Selbstbestimmung" ernst gemeint sind, oder nur geheuchelt. Es müsste ausreichen zu beobachten, wie mit den Aussagen von Menschen, die sagen, dass es Körpermerkmale gibt, die vom Geschlecht abweichen umdefiniert werden und wie versucht wird, ihnen das Wort im Munde herum zu drehen. Wenn ein Mensch sagt: "Mein Körper weicht von meinem Geschlecht ab", dann wäre es ein Satz, der - wenn es Menschen wirklich um Akzeptanz von Selbstbestimmung gehen würde - einfach anerkannt werden könnte. Ausgehend davon könnte dann eine wissenschaftliche Auseinandersetzung beginnen. Wer aber von vorneherein genau diese Aussage in einen vorgefertigten Rahmen packt und nicht als das begreift, was der Satz meint - dass Körper vom Geschlecht abweichen können - hört nicht zu. Wer dann immer noch nicht zuhört, obwohl Menschen auf die Unsichtbarmachung hinweisen, ist entweder strunzdumm, also nicht befähigt wissenschaftlich zu arbeiten, oder will absichtlich nicht zu hören. Wer absichtlich unsichtbar macht, sollte aber nicht vom Bund dafür gefördert werden.

Die Frage der Anerkennung von Transsexualität ist der Heucheltest.

Link: Schule lehrt/lernt Vielfalt