ATME sendet Stellungnahme an WHO

Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, gibt in regelmäßigen Abständen den ICD, das Internationale Klassifikationsssystem der Krankheiten, heraus. Jede „Krankheit“ hat dabei einen eignen Schlüssel, nach dem in Deutschland Ärzte und Psychologen mit den Krankenkassen abrechnen. Transsexuelle Menschen betreffen vor allem die Diagnoseschlüssel F64.0 bis F64.9. Die Zahlen sind nur eine Durchnummerierung, doch der Buchstabe „F“ bedeutet, dass es sich um eine psychische Krankheit handelt, um eine schwere Persönlichkeitsstörung (unter dem Schlüssel F6... sind die Persönlichkeitsstörungen zu finden).

ATME hat wiederholt ein Ende der Psychopathologisierung und der damit verbundenen Stigmatisierung transsexueller Menschen gefordert. Doch nicht nur wir. 300 Organisationen aus 75 Ländern, viele Einzelpersonen, einschließlich 3 Nobelpreisträgern, haben den Appell an die Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation und die Staaten der Welt von IDAHO unterzeichnet. Den Hauptgrund der Diskriminierung sehen die Unterzeichner in der falschen und unwissenschaftlichen Annahme, Transsexualität wäre eine psychische Störung und der damit verbundenen Einordnung im ICD unter F64.0:

„Deswegen verlangen wir, dass:

  • das WHO aufhört, Transmenschen als geistig gestört zu betrachten [...]
  • die Staaten der Welt [...] die internationalen Yogyakarta Prinzipien übernehmen und allen Transmenschen versichern, dass sie mit entsprechender Unterstützung des Gesundheitssystems rechnen können [...]"

Aber auch die Vereinten Nationen selbst, vor allem das Menschenrechtskomitee, das die Einhaltung des Sozialpaktes überwachen soll, hat in seinen abschließenden Bemerkungen an Deutschland geschrieben:

„Der Ausschuss bemerkt mit Sorge, dass transsexuelle [...] Menschen oft als Menschen mit geistiger Erkrankung betrachtet werden […] zur Diskriminierung dieser Menschen geführt haben, wie auch zu Verletzungen ihrer geschlechtlichen und reproduktiven Gesundheitsrechte.“

Am 23 Juni 2011 hielt Frau Helena Nygren-Krug, die als Beraterin für Gesundheits- und Menschenrechtsfragen für die WHO arbeitet, einen Vortrag im Rahmen der Vorstellung des Berichts "Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identittät in Europa" vor dem Europarat in Straßburg. Dabei forderte sie Organisationen transsexueller Menschen zur Mitarbeit beim Zustandekommen des ICD 11 auf:

"Die 11. Version des ICD [= Internationale Klassifikation der Krankheiten] wird voraussichtlich auf der Weltgesundheitsversammlung (WHO's-Dachverband) im Mai 2015 vorgestellt werden. Obwohl Homosexualität nicht mehr enthalten ist, verbleiben andere Themen, die uns betreffen können, wie Transsexualität als psychische Störung. Wie können wir sicherstellen, dass wir transsexuellen Menschen die benötigte Gesundheitsfürsorge zukommen lassen, ohne sie weiter zu stigmatisieren? Ich hoffe, dass transsexuelle Menschen und die Transgender-Bewegung uns bei der Bewältigung dieser Herausforderung helfen, unter Berufung auf das zentrale Menschenrechtsprinzip der Partizipation - "Nichts für uns ohne uns"."

Dieser Aufforderung ist ATME nun nachgekommen und hat eine Stellungnahme zur Abschaffung von Transsexualität als psychische Störung, mit der Betonung auf der Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen, an die WHO geschickt. In der Stellungnahme von ATME heißt es u.a.:

"Wir fordern die WHO auf, Transsexualismus aus dem F-Teil des ICD zu entfernen um klar zu stellen, dass transsexuelle Menschen nicht länger zwangspathologisiert und für psychisch gestört erklärt werden dürfen."

Und weiter heißt es in der Stellungnahme von ATME:

"Gleichzeit muss Transsexualität international als ein angeborenes Leiden anerkannt werden, bei welchem der Körper, oder Teile des Körpers, vom eigentlichen Geschlecht des Menschen abweichen. Transsexualität ist [...] keine psychische Krankheit und keine Verrücktheit. Dieses Leiden kann nur gemildert werden, wenn die vom tatsächlichen Geschlecht abweichenden Körperteile und -Organe diesem so weit als medizinisch möglich angeglichen werden. Diese Tatsache ist anerkannt. Entsprechend sollte auch gehandelt werden.
Hormontherapien und genitalverändernde Operationen sind nur ein Teil dessen, was transsexuelle Menschen benötigen. Auch Brüste sind Geschlechtsmerkmale, wie auch unser Gesicht, unsere Haare, unsere Stimme, Körperbehaarung, Bartwuchs, usw. "Gesundheit ist ein grundsätzliches, für die Wahrnehmung anderer Menschenrechte notwendiges, Menschenrecht.“
Und Gesundheit bedeutet auch, im Einklang von Körper und Seele/Geist/Gehirn leben zu können. Gesundheit bedeutet für transsexuelle Menschen: In den Spiegel zu schauen und sich selbst im richtigen Geschlecht sehen zu können."

Den vollständigen Bericht kann man hier auf Deutsch herunterladen.

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