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Die identitäre Epoche geht zu Ende

Mittlerweile ist uns klar, warum manche Menschen ein Problem damit haben, unsere Positionen, die auf Menschenrechten und Freiheit basieren, zu verstehen. Es liegt daran, dass wir am Ende der identitären Epoche stehen und diese gerade auf den Höhepunkt zusteuert. Was heisst das? Identitäre Epoche?

In einer identitären Epoche geht es um Mitgliedschaften und nicht um Inhalte. Es geht um das Dazugehören zu einer Gruppe, anstatt um einen Austausch. Das Dazugehören wird dann kodiert und mit bestimmten Symbolen versehen. Der Genderstern ist beispielsweise so ein Symbol. Verwendeste ihn, gehörst Du zu einer Gruppe dazu. Verwendest Du ihn nicht, dann gehörst Du einer anderen Gruppe an.

Kommunikation innerhalb von identitären Epochen läuft dann auch nicht zum Zeck des Austausches von Inhalten ab, sondern als Battle der Identitäten. Jede Identitätsgruppe nutzt Sprache dafür, um die andere Gruppe abzuwerten und die eigene Gruppe aufzuwerten. Da die andere Gruppe abgewertet wird, verlaufen Unterhaltungen meistens auf dieser Ebene ab: Es wird denunziert, beleidigt, abgewertet. Um die andere Gruppe dann möglichst gut abwerten zu können, werden Substantive gefunden. "Nazis", "linksgrünversifft", "Verschwörungstheoretiker", etc.

Diese Form der Kommunikation sorgt für die Grenzziehungen zwischen den Identitäten. Es ist eine Kommunikation des Krieges.

Unser Anspruch war immer, diesen Krieg nicht zu führen, sondern sich inhaltlich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Wir empfinden es als armselig, sich in Identitäten zu spalten, weil wir Menschen für Menschen halten. Wir lehnen aus diesem Grund "Trans*", "Inter*" und alle anderen Identitäten ab. Identitäten erachten wir als hässliche Fratze einer Welt, in der Menschen sich nicht mehr als Mensch begegnen können, sondern nur noch als Clubmitglieder.

Das Thema, das uns beschäftigt ist, ob Menschen bereit sind anzuerkennen, dass körperliche Merkmale vom Geschlecht abweichen können. Das nennen wir "Transsexualität". Diese Körpervariationen existieren, davon gehen wir aus. Und wir gehen deswegen auch davon aus, dass Menschen existieren, deren Körper vom Geschlecht abweicht. Mit "Trans*" hat das nichts zu tun. Es ist übergriffig, wenn aus Transsexualität eine Frage der Identität gemacht wird. Wir lehnen die Konstruktion von Identitäten ab.

Oft sind uns Leute in den letzten Jahren begegnet, die uns auch als Teil der einen oder einer anderen Identität angesehen haben. Da gab es die "echten Transsexuellen" (häufig diejenigen, die sich einer rechten Identität zuordnen) die uns zugepflichtet hatten, weil sie dachten, wir grenzen uns auch - wie sie - von "Transidenten" ab. Und es gab dann Menschen, die sich auf Grund ihrer Haltung eher als "Identitätslinke" einsortieren würden, die dann glaubten, wir wären wie sie Anhänger einer "Trans*"-Haltung.

Beidem möchten wir widersprechen. Da wir die Konstruktion von Identität ablehnen, ordnen wir uns keinen Identitäten zu. Identität zu konstruieren ist autoritär, hierarchisierend, patriarchal, abgrenzend und "den Anderen" (der dann ja zu diesem Zweck konstruiert wird) abwertend.

Warum sind wir am Ende der identitären Epoche? Wir sehen angesichts der aktuellen Entwicklung - auch uns insbesondere angestossen durch einen kleinen Virus - auf dieser Welt, dass Menschen krampfhaft an identitären Einteilungen festhalten wollen. Wir stecken im totalen Krieg der Identitäten, der vorallem über Medien ausgefochten wird und die Angst vor der Apokalypse zum Inhalt hat. Um Fakten geht es da schon lange nicht mehr. Der totale Krieg der Identitäten wird, so eine These, irgendwann zum totalen Zusammenbruch der Identitäten führen. Was wir danach erleben werden ist - möglicherweise - die Erkenntnis, dass in Demokratien Kommunikation das Ziel hat, Inhalte auszutauschen. In Demokratien gibt es Rede und Gegenrede, in Wissenschaften in demokratischen Staaten These und Antithese. Wir werden uns an diese demokratischen Grundwerte erinnern.

Sobald wir uns an diese demokratischen Grundsätze erinnern - das wird nach der identitären Epoche geschehen - werden wir über Transsexualität reden können. Weil wir uns dann über Inhalte austauschen können. Von Mensch zu Mensch. Dann werden sich Menschen wieder zuhören.

Nicht nur Orban macht Menschen unsichtbar

Die Internetzeitung noizz.de schreibt darüber, dass in Ungarn in Zukunft nun "nur das biologische Geschlecht auf der Grundlage der primären Geschlechtsmerkmale und Chromosomen einer Person vermerkt" werden soll und dies die Demokratie zerstören würde. Das tut es sicherlich, aber den roten Teppich haben zuvor bereits andere ausgelegt: Diejenigen, die aus Transsexualität eine Frage der Geschlechtsidentität gemacht haben.

Die Orbans dieser Welt sind nicht damit zu stoppen, wenn mit dem Finger auf sie gezeigt wird, sondern indem in den anderen Staaten der EU nicht länger vorgelebt wird, wie die nächsten Schritte Richtung Autoritarismus aussehen könnten. Wir erleben, wie ein Virus dazu genutzt wird, Freiheits- und Grundrechte einzuschränken, wie Menschen nach dem starken Staat rufen, wieder denunziert wird und Menschen als "asozial" bezeichnet werden (schöne Grüsse an den OB von Stuttgart, der genau das getan hat).

Wir erleben, wie zensiert wird, wie Menschen mundtot gemacht werden sollen, Menschen, die sich kritisch gegen Totalitarismus und Autoritarismus wenden und zu laute Fragen stellen als nicht-ernst-zu-nehmen diffamiert werden.

Die Orbans dieser Welt nutzen die Chance die sie haben, weil unsere Gesellschaft, auch die Menschen in Deutschland, ihnen die Chance dazu geben.

Wir sagen es an dieser Stelle noch einmal - wir haben darauf ja schon länger hingewiesen - was ein Teil dieser autoritären Machtergreifung ist (die ja schon seit ein paar Jahren am Laufen ist):

Der erste Schritt, Menschen mit körperlichen, also transsexuellen Variationen unsichtbar zu machen ist, sie als "Transgender" oder "Trans*" zu klassifizieren und damit zu verunmöglichen zu denken, dass Menschen mit Abweichungen des Körpers zu ihrem Geschlecht überhaupt existieren.

Der zweite Schritt sind Gesetze, in denen diese Unsichtbarmachung festgeschrieben wird.

Wer die autoritäre Wende beenden will, sollte anfangen darüber nachzudenken, auf welcher Seite er selbst steht. Fragen wie "bin ich Demokrat?", "Lasse ich Diskurse zu?", "Setze ich mich dafür ein, dass Menschen zu Wort kommen?", etc. könnten ein Anfang sein, damit zu beginnen, sich nicht nur über Orban und andere Gesichter des Autoritarismus zu ärgern, aber ansonsten nichts zu einer Änderung der Situation beizutragen, sondern wirklich eine Änderung des politischen Diskurses zu erreichen, in denen Demokratie und Menschenrechte verwirklicht werden.

Der Artikel von noizz.de: Hier.