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Über patriarchale Grenzziehungen

In einer Welt, in der Menschen immer noch der Ansicht sind, dass man "als Frau geboren" oder "als Mann geboren" sein kann und solche Aussagen nicht für allgemeines Kopfschütteln sorgen, brauchen wir uns kaum darüber wundern, warum patriarchale Strukturen immer noch existieren. Eine der Grundvoraussetzungen von patriarchale Macht ist, Unsinn zu denken und Unsinn zu Gesetzen zu erklären. Feminismus bedeutet auch, diesen Unsinn als solchen zu benennen.

Wer meint, Menschen werden "als Frau" oder "als Mann" geboren, muss sich die Schmerzen vorstellen, die so ein Geburtsvorgang hervorrufen würde. Nein, Menschen kommen als Säuglinge auf die Welt. Interessanterweise sind häufig genug diejenigen, die eine "Frühsexualisierung" beklagen (in der Regel Menschen aus dem rechten politischen Spektrum), auch diejenigen, welche die Aufteilung in die sozialen Kategorien Frau/Mann nach der Geburt ganz klar befürworten. Die Paradoxidität ihrer Forderungen und der Widerspruch zwischen Gesagtem und Gesagtem fällt ihnen dabei offensichtlich nicht auf. Nicht gendern solle man, fordern sie lautstark ein, während sie zugleich soziale Kategorien wie "Mann" und "Frau" für die "Biologie" halten. Auch die geschlechtlich-körperliche Entwicklung, die bis zum Ende der Pubertät anhält, scheint Menschen, die meinen, man sei "als Mann geboren" oder "als Frau geboren" völlig unbekannt zu sein.

Jeder Mensch kommt als Kind auf die Welt. Und die geschlechtliche Entwicklung eines Menschen unterscheidet sich von der eines jeden anderen Menschen. Das macht uns zu Individuen, die mehr sind als etwa Angehörige einer Art. Geschlechtliche Variationen existieren, sie sind keine soziale Erfindung sondern Realität.

Patriarchale Grenzziehungen stützen sich auf die Behauptung, dass die soziale Einteilung von Menschen in unterschiedliche Kategorien biologische Grundlagen haben. Was bei der Rassenlehre der Nationalsozialisten heute von den meisten Menschen - ausser Rechtsextremisten - als falsch angesehen wird, löst bei Geschlecht heute noch keinen so grossen Protest aus, obwohl die Idee der Einteilungen in unterschiedliche Menschengruppen in beiden Fällen auf den selben unsinnigen Grundannahmen basiert. Menschen werden genauso wenig "biologisch" als Angehörige irgendwelcher Rassen geboren, wie Menschen "als Frau geboren" oder "als Mann geboren" werden. Wer sich auf "Biologie" beruft, um Menschen einzusortieren - und sie zu beherrschen - lügt. Es ist kein Zufall, dass rechtsextreme Despoten wie Donald Trump dauerhaft lügen (müssen). Patriarchale Macht braucht die dauerhafte Erzählung von unterschiedlichen Völkern und Geschlechtern. Damit die Erzählungen glaubwürdiger sind, müssen die Menschen, die bereits durch ihre blosse Existenz beweisen können, wie unsinnig das Erzählte ist, unsichtbar gemacht werden. Was die Erzählung stört, muss weg.

Ziel der Beweisvernichtung ist nicht primär die Verfolgung von Minderheiten, sondern die Aufrechterhaltung der Erzählung für Mehrheiten. Wer Menschen mit geschlechtlichen Variationen unsichtbar macht, will Mehrheiten geschlechtlich beherrschen. Die Ausgrenzung und Verfolgung geschlechtlicher Minderheiten ist immer anti-feministisch.

Wer hinsieht, welche Ziele Rechtsextremisten und radikalisierte Gläubige haben und dazu Gegenstrategien entwickeln will, sollte damit anfangen, soziale Grenzziehungen zu hinterfragen und sich über die eigenen Komplizenschaften bewusst werden.