Unser Geschlecht gehört uns!

Am Samstag, den 24. März veranstaltete die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. eine Demonstration vor dem Brechtbau in Tübingen um gegen geschlechtliche Fremdbestimmung zu protestieren. Ursprünglich als Diskussionsrunde im Uni-Gebäude geplant, leider im Vorfeld teilweise boykottiert (und sogar von manchen als abgesagt erklärt), war der Abend dennoch ein wichtiges Signal in Sachen Emanzipation transsexueller Menschen. Es waren mehr Menschen da, als erwartet und viele der Anwesenden haben sich an den Diskussionen beteiligt.

Fremdbestimmung und Ausgrenzung sind transsexuellen Menschen nicht neu. Daher verstehen wir Veranstaltungen, wie die im März 2012 in Tübingen als Symbol, mit welchem wir daran mitarbeiten anderen transsexuellen Menschen Mut zu machen, sich von dieser Fremdbestimmung und Ausgrenzung zu lösen. "Unser Geschlecht gehört uns" ist nicht nur Slogan, sondern inhaltliche Kampfansage vorallem an eine Medizin, die bis heute transsexuelle Frauen als Männer verstanden haben will, die "sich wie Frauen fühlen" und transsexuelle Männer als Frauen ansieht, die in der Männerrolle leben wollen. Wir wehren uns gegen stereotype Geschlechtervorstellungen, die von sogenannten Sexualwissenschaftlern verbreitet werden, die entweder Genitalien oder Gender als Kriterium für geschlechtliche Fremdbestimmung ausgeben und sich mit diesen Thesen lediglich ihre eigene Machtposition sichern wollen.

Es gibt noch genügend Beispiele, die zeigen, dass nicht nur Mediziner immer noch Entscheidungen über das Geschlecht eines Menschen treffen wollen. Medizinische Standards und juristische Regelungen um die Zwangszordnung von Menschen mit Geschlechtsabweichungen zu rechtfertigen, existieren auch im Deutschland des Jahres 2012 weiter.

Normierende Geschlechtsvorstellungen werden denen, die von diesen Klischees abweichen übergestülpt, um sie passend zu machen. Und wer nicht passt und sich nicht sexistischen Geschlechterkonzepten unterordnet, wird, so der Plan, bislang gesellschaftlich ausgegrenzt. Die Legitimation für diese Ausgrenzung wird bisher durch Gesetze wie das deutsche Transsexuellengesetz begründet oder durch medizinische Pseudo-Standards, in denen Menschen nicht nach dem beurteilt werden, was sie über sich äussern, sondern ob sie bereit sind stereotypen Weltbildern unterzuordnen. Doch was, wenn sich Menschen, die nicht der geschlechtlichen Norm entsprechen einfach nicht mehr unterordnen wollen? Was, wenn sie sich selbstbewusst äussern, und sich nicht länger den Mund verbieten lassen?

Wir sind froh darüber, dass dieses Signal von der Veranstaltung am 24. März ausgeht. Der Abend beweist, dass wir selbst in der Lage sind, unsere Anliegen in der Öffentlichkeit anzubringen (auch wenn das bestimmten Leuten nicht schmecken mag), und dabei nicht auf taube Ohren stossen. Was wir zu sagen haben, wird gehört. Und so belibt für uns die Gewissheit, dass es nur eine Gruppe von Menschen gibt, die nicht zuhört, wenn transsexuelle Menschen sich zu ihrer Selbst äussern: Es sind diejenigen, die mit uns Geld verdienen, Macht über uns ausüben, indem sie uns geschlechtlich fremdbestimmen oder diejenigen, die uns als scheinbar passenden Baustein in ihrem zusammenphantasierten Weltbild benötigen. Das schöne ist, wieder einmal bestätigt zu bekommen, dass diejenigen, die ein Problem haben nicht transsexuelle Menschen sind, sondern diejenigen, die nicht in der Lage sind transsexuelle Menschen als Teil der geschlechtlichen Realität anzuerkennen. Und noch schöner ist, die Gewissheit: Wenn wir wollen, dann geht es auch ohne Fremdbestimmung! Es liegt an der Wertschätzung, die wir uns selbst gegenüber aufbringen.

Hier ist ein Grobschnitt der Veranstaltung als mp3-Datei:


zu hören sind:

Minya Backenköhler (u.a. SWR)
Christina Schieferdecker (ATME e.V.)
Kim Schicklang (ATME e.V.)

und Gäste (die von denen wir den Namen kennen, stellen sich im Mitschnitt auch selber vor)

24. März 2012, 17 Uhr - 20 Uhr

Universität Tübingen
Vor dem Brechtbau, Wilhelmstr. 50