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Hirschfeld zum 150. Geburtstag

Hirschfeld wusste schon in den 10ern und 20ern des letzten Jahrhunderts, dass Menschen körperliche Variationen mitbringen können und der Blick auf die Genitalien oder Klamotten nicht ausreicht, um das Geschlecht eines Menschen zu deuten. Die Nationalsozialisten hatten im Rahmen der Bücherverbrennung auch sein Institut in Berlin zerstört. Der braune Geist hält bis heute weltweit an, werden Frauen mit Transsexualität gerne heute noch als Männer und Männer mit Transsexualität heute noch als Frauen angesehen (oder man bezeichnet sie als "transgeschlechtlich").

Das, was die Nazis wollten, war eine Gesellschaft in der Geschlecht von Aussen - nach Funktion - zugeteilt wird, Menschen nach Normvorstellungen kategorisiert werden und in wertvoll und unwert eingeteilt werden. Dass dies nicht gelingen kann, wusste Hirschfeld, als er die unterschiedlichen Dimensionen von Geschlecht beschrieb und dokumentierte, dass alle Ebenen von Geschlecht zwischen männlich und weiblich ausgebildet sein können und es keine eindimensionale Linie zwischen "Mann" und "Frau" gibt. In Realität kann jedes geschlechtliche Merkmal grundsätzlich auch unabhängig von anderen Merkmalen verschieden ausgeprägt sein.

Die einzig sinnvolle Schlussfolgerung aus dem Wissen Hirschfelds ist es, anzuerkennen, dass nur Menschen selbst Auskunft über ihr Geschlecht geben können und ihnen zuzuhören. Es wäre auch wichtig sich darüber klar zu werden, was das bedeutet: Wenn ein Mensch sich zu seinem Geschlecht äussert, dann ist es eine Äusserung über das eigene Geschlecht. Es meint nicht, sich einer sozialen geschlechtlichen Identität zuzuordnen. Wer den Fehler begeht, aus einem Geschlecht eine "Geschlechtsidentität" (gender identity) zu machen, um die Vorstellung von Geschlecht (sex) unangetastet lassen zu können, der steht eher in der Tradition derer, die das Wissen Hirschfelds in den 30ern vernichten wollten, als in der Tradition der Erkenntnisse über Geschlecht, die wir nun seit über 100 Jahren haben könnten. Warum? Weil so jemand dann (in Kategorien) zuteilen will, wo es doch eigentlich darum geht, die Aussagen von Menschen über ihr eigenes Geschlecht anzuerkennen.

Übrigens ist das einer der Gründe, warum die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. sich vor einem guten Jahrzehnt zusammengefunden hatte: Die Deutung von Geschlecht durch Dritte zu beenden und für staatliche Regelungen einzutreten, die Menschen vor Übergriffen durch Geschlechtsdeuterei schützt. Dazu braucht es eine Möglichkeit, dass jeder Mensch selbstbestimmt über den eigenen Geschlechtseintrag bestimmen kann.

Link zu einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung


Evangelische Kirche in Hessen und Nassau - eine Broschüre

Die evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat es anscheinend nicht verstanden, dass Transsexualität kein Identität ist. Eine Broschüre, die bei uns den Eindruck hinterlässt, dass Frauen und Männer mit körperlichen Variationen in eine gesellschaftliche extra-Schublade ausgelagert werden sollen.

"Hinter Trans* sollen dadurch alle verschiedenen Identitäten, wie z.B. transsexuell, transident oder Transgender, miteingeschlossen werden"

Aber: Transsexualität ist keine Identität. (Zumindest verstehen wir das nicht als solche. Sondern als abweichender Körper).

Interessant ist auch, dass offenbar sogar jeder Bezug zu "Gehirngeschlechtern" oder "Geschlechtskörperdiskrepanzen" so gedacht werden kann, dass am Ende immer noch keine Änderung der Weltsicht eintritt, die Menschen ihr Wissen über ihr Geschlecht als wahr zugesteht.

In der Summe haben wir den Eindruck, dass "Trans*" immer noch aus der Aussenperspektive gedacht wird. Es ist die Rede von "neuem Geschlecht", mit dem jemand angeredet werden soll, von "Eunuchen", die in der Bibel positiv erwähnt würden.

Fazit: Nett diskriminiert zu werden ist vielleicht besser, als nicht-nett diskriminiert zu werden, aber ein echter Perspektivwechsel ist hier nicht erkennbar. Ein solcher wäre gegeben, wenn das Prinzip der geschlechtlichen Deutung hinterfragt würde. Was bringt uns die Perspektive der Broschüre? Dass die Zuweisungen als Prinzip unangetastet bleiben und Menschen, die dann dagegen aufbegehren darin toleriert werden, sich anders zu fühlen bzw. eine abweichende Identität entwickelt zu haben. Diese Identität wird dann aus dieser Perspektive dann "Trans*" genannt und die Menschen, die sich dann als "Trans*menschen" vorfinden in eine Extra-Schublade gesteckt, die Transgeschlechter-Schublade.

Hatten wir eigentlich schon mal erwähnt, dass wir gerne einen Perspektivwechsel erleben würden? Einen, in welchem Zuweisungsprinzipien hinterfragt und verurteilt werden, einen, in dem Menschen als Menschen ernst genommen werden und geschlechtliche Selbstaussagen nicht zu "Identitäten" uminterpretiert werden? 

http://www.unsere.ekhn.de/themen/umgang-mit-transsexualitaet.html