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IDAHOT am 17. Mai - Ein Grund zur Freude?

Am Mittwoch in dieser Woche ist IDAHOT, der internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie. Der Tag soll daran erinnern, dass am 17. Mai 1990 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen hatte, Homosexualität solle nicht mehr im ICD auftauchen und nicht mehr "als Krankheit" gelten.
 
Homosexualität trug den Diagnoseschlüssel 302.0 und tauchte unter "Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen" im ICD auf - ein Abschnitt, in welchem auch "Transsexualität" aufgeführt war.
 
Der Abschnitt wurde damals so beschrieben:
 
"302 Sexuelle Verhaltensabweichungen und Störungen
 
Abnorme sexuelle Neigungen oder abnormes sexuelles Verhalten, das zu einer ärztlichen Konsultation führt. Die Grenzen und Bilder normaler sexueller Neigung und normalen sexuellen Verhaltens sind in den verschiedenen Gesellschaften und Kulturen nicht absolut festgelegt worden, aber sind im großen und ganzen so, daß sie akzeptierten sozialen und biologischen Zielen dienen. Die sexuelle Aktivität der betroffenen Personen ist primär entweder auf Personen des gleichen Geschlechtes gerichtet oder auf in der Regel nicht mit dem Koitus verbundene sexuelle Verhaltensweisen oder einen unter abnormen Umständen ausgeführten Koitus. Falls das abweichende Verhalten nur während einer Psychose oder einer anderen psychischen Erkrankung manifest wird, sollte das Zustandsbild unter der Haupterkrankung klassifiziert werden. Haufig treten mehrere Abnormitäten zusammen in der gleichen Person auf. In dies em Fall sollte die im Vordergrund stehende Abweichung klassifiziert werden. Man sollte in dieser Kategorie solche Personen nicht aufführen, die sexuelle Verhaltensabweichungen ausüben, wenn ihnen normale, sexuelle Gelegenheiten nicht zur Verfügung stehen. "
 
Im ICD10, der aktuell noch gültig ist, wurde "Transsexualität" in "Transsexualismus" umbenannt - aber nach wie vor, als Abweichung der Identität von der Norm verstanden und nicht als körperliche Variation.
 
Im ICD11 wird "Transsexualismus" nicht mehr auftauchen - weiter wird aber gelten, dass eine abweichende Identität behandelt wird bzw. als Gender-Identitäts-Problem ("Gender Dysphorie"), also als Problem der sozialen Identifikation.
 
Für Menschen mit körperlichen Variationen muss klar sein, dass es im Grunde genommen, noch nicht wirklich etwas zu feiern gibt. Wir sollten nicht auf den ICD12 warten, der dann irgendwann zwischen 2030 und 2040 kommen wird, sondern uns schon jetzt stark machen dafür, dass ein anderer Umgang mit Menschen mit körperlichen Variationen möglich wird. Dazu gehört, dass Medizin sich völlig frei macht davon, die Aufgabe geschlechtlicher Normierung zu übernehmen.
 
Wir machen uns stark dafür, dass Medizin sich auf die eigentliche Aufgabe beschränkt: Zu helfen, Leid zu lindern. Darum muss es gehen. Konkret heisst das für uns, dass Hormone, Operationen oder andere Hilfen, die zur Verbesserung der Gesundheit von Menschen beitragen, nicht abhängig davon gemacht werden dürfen, welcher geschlechtlichen Normvorstellung ein Mensch entspricht. Wir sind fest davon überzeugt, dass es möglich ist, Leitlinien zur Behandlung auch so zu entwickeln, dass sie ohne gender-stereotype Vorstellungen auskommen.
 
Es mag zwar sein, dass psychiatrische Fachgesellschaften glauben, dass sie mit der Diagnose "Gender Dysphorie" durchkommen und so weiterhin ihre gender-deutende Macht über Menschen ausüben können - insbesondere dann, wenn sie dabei auf Verbündete aus einer trans*Community zurückgreifen können - wir halten es aber für erreichbar, dieser Geschlechtermacht etwas sinnvolles, menschenrecht-beachtendes entgegensetzen zu können. Das Zauberwort heisst hier: Emanzipation.
 
Einen emanzipativen Ansatz verfolgen wir, wenn wir auch die Stuttgarter Erklärung weiterentwickeln werden. Dazu laden wir herzlich all' diejenigen ein, die sich - wie wir - darauf konzentrieren, das Ende der gender-deutenden Medizin einzuleiten. Es mag sein, dass der ICD11 ein Sieg für die psychiatrischen Fachgesellschaften sein mag - wir werten das Festhalten an gender-deutender Medizin aber als Eingeständnis eines Versagens. Es zeigt, dass Lobbyinteressen über den Interessen von Menschen stehen. Sobald aber genügend Menschen begreifen, dass sie ihre Interessen auch selber wahrnehmen können - wird sich auch schon vor dem Einführen eines ICD12 der Wind gedreht haben. Emanzipation heisst auch, sich selbst ernst zu nehmen und dem Wissen über sich selbst nicht den Stempel "Unwissen" aufdrücken zu lassen.
 
Wer an der Weiterentwicklung der Stuttgarter Erklärung mitwirken will, meldet sich bei uns einfach. :-)

Danke für den Gesetzentwurf, liebe Grüne, aber...

Die Grünen haben heute einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Transsexuellengesetz ersetzen soll. Wir haben den Eindruck, dass die Grünen vor ein paar Jahren schon mal weiter waren. In dem aktuellen Entwurf wird deutlich, dass die Überschrift der Angelegenheit wieder verstärkt die psychosexologische Idee der "Gender Identity" sein soll - werden sie doch explizit benannt und so getan, als bräuchte hier eine gesonderte Gruppe einen gesonderten Bedarf an Beratung.

Das entspricht dann gar nicht dem, was wir uns unter einer flächendeckenden, gleichberechtigten Gesundheitsversorgung vorstellen. Es kann nicht sein, dass in einem Gesetz durch die Hintertür versucht wird, bestimmten Communities quasi die staatliche Verfügungsgewalt zu übertragen. Der Gesetzentwurf lässt das leider befürchten.

"Immer wieder stellen Menschen im Laufe ihres Lebens fest, dass das bei Geburt zugewiesene Geschlecht nicht ihrer tatsächlichen Geschlechtsidentität entspricht."

Sagen die Grünen auf der Website der Bundestagsfraktion. Richtig wäre aber, dass bei transsexuellen Menschen das Geschlecht, welches auf Papier und in PCs vermerkt ist, nicht dem Geschlecht entspricht. Solange "Geschlechtsidentität" als abweichend zu einem "Geschlecht" verstanden wird, wird es nicht besser - sondern immer noch "Geschlechtsidentität" zum Problemfall erklärt. Darum geht es aber gar nicht - sondern darum das Geschlecht eines Menschen anzuerkennen und nicht die Geschlechtsidentität, vorallem wenn diese als Abweichung zum eigentlichen Geschlecht verstanden wird!

Die Grünen haben heute dazu einen Gesetzentwurf eingebracht. Es ist dieser hier:
Gesetzesentwurf zum Download

Ein weiterer Paragraph (§5) ist vorgesehen, um Beratung für Menschen "denen bei Geburt ein nicht mit ihrer Geschlechtsidentität über einstimmendes Geschlecht zugewiesen wurde" gesetzlich zu verankern. Die explizite Erwähnung dieses "Anspruchs auf psychosoziale Beratung" wirkt so, als ob es hier um etwas anderes geht: Die Schaffung von Strukturen, die dann Menschen mit geschlechtlichen Variationen dann a) gesammelt als Menschen mit abweichender "Geschlechtsidentität" vereinnahmen und b) zukünftige Regelfinanzierungen dieser Strukturen zu ermöglichen. Da wir in den letzten Jahren erleben konnten, wie Transsexualität und Intersexualität erneut zu einer Gender-Identitätsthematik umgedeutet werden, werten wir die Idee der Grünen, diesen Paragraphen einzuführen, als Versuch noch deutlicher die Definitionshoheit über geschlechtliche Definitionen in die Hände gewisser Gruppen zu legen.

Berücksichtigt man, dass mit "Gender Varianz" oder "Gender Inkongruenz" im nächsten Jahr dann auch die Neufassung alter gender-deutender Medizindiagnosen ansteht - etwas, was auch nicht ohne Beteiligung von fremdbestimmenden Lobbygruppen ablief - dann sollten wir schon genauer hinsehen und uns fragen, was für machtpolitische Interessen hier vertreten werden. Der Link zu "Gender Dysphorie" ist dann im ausführlichen Begründungstext schnell zu finden, wenn von "trans* Menschen" die Rede ist und auf Psychosexologen wie Timo Nieder und Hertha Richter-Appelt verwiesen wird.

Es ist spürbar, dass gute Ideen nicht besser werden, wenn sie mit Lobbyinteressen vermischt werden.