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Wunsch für 2018: Diskursverweigerung beenden, Transsexualität anerkennen

Es gibt da so eine Erzählung. Die Erzählung lautet, dass es so etwas wie ein "biologisches Geschlecht" gibt und bei manchen Menschen die Identität von diesem "biologischen Geschlecht" abweicht (abweichende "Gender Identität"). Es gibt Menschen, die ein Interesse haben, an dieser Erzählung. Es handelt sich um Leute, die bestimmte Verhaltensweisen für Mädchenverhaltensweisen und andere Verhaltensweisen für Jungsverhaltensweisen halten. Und diese Leute sagen dann: Wenn ein Junge, sich wie ein Mädchen verhält (was immer das auch sein soll), dann könnte das ein Zeichen dafür sein, dass dieser Junge eine abweichende "Gender Identität" hat. Oder umgekehrt: Wenn ein Mädchen sich wie ein Junge verhält (was immer das auch sein soll), dann wäre es möglich, dass es eine "Gender Varianz" aufzeigt.

Menschen, die diese Erzählung im Kopf haben, können beispielsweise Menschen sein, die sich selbst anders verhalten haben, als die anderen Kinder. Sie sind heran gewachsen und haben sich immer wieder gefragt, warum sie sich den anders verhalten. Möglicherweise haben sie sich selbst gefragt, ob sie denn echte Jungs oder echte Mädchen sind. Ihre Sicherheit waren dann die Genitalien. "Das Kind hat einen Penis, also ist es ein Junge", so lautete der Satz eines deutschen Sexualwissenschaftlers und Kinderpsychologen im Jahr 2008 dazu. Die Genitalien haben diese Menschen dann "biologisches Geschlecht" genannt.

Die Erzählung lässt sich also verinfacht zusammenfassen mit: Menschen haben Genitalien. Die Genitalien zeigen das "biologische Geschlecht" eines Menschen an. Was davon abweicht ist dann eine abweichende "Gender Identität".

Manche werden sich nun fragen: Denken die Leute heute wirklich noch so? Ja.

Schaut mal:

"Als Transgender oder Transmenschen werden Personen bezeichnet, die sich nicht – oder nicht nur – mit dem Geschlecht identifizieren, das den biologischen Merkmalen entspricht, mit denen sie geboren wurden."
(Artikel in der Zeit: "Weiteres Gericht entscheidet für Transgender im US-Militär" vom 22.12.2017)

Wie aber kann denn das sein, dass eine zeitung wie die Zeit so etwas schreibt? Dafür gibt es Gründe. Es ist nämlich keinesfalls so, dass solche Definitionen aus dem Nichts kommen. Schaut Euch einfach mal um, wo von einer abweichenden "Gender Identität" oder eine "Gender Varianz" gesprochen wird und achtet mal darauf, wo die obige Erzählung vorkommt. Einfacher wird es, wenn ihr darauf achtet:

Die Formel lautet: Identität weicht vom Körper/biologischen Geschlecht ab.

Immer dann, wenn diese Formel erkennbar ist, wird davon ausgegangen, dass das Geschlecht eines Menschen dann A ist, aber dieser Mensch dann Verhaltensweisen zeigt oder eine Identität hat, die von A abweicht.

Nun sind Menschen mit einer solchen Perspektive häufig ziemlich verwirrrt, wenn sie auf Menschen treffen, die ein anderes Thema haben: Menschen, die wissen, dass ihre körperlichen Merkmale von ihrem Geschlecht abweichen. Bei der Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. gibt es diese Haltung: Ja, es existieren Menschen, deren Körper von ihrem Geschlecht abweicht. Die Perspektive Identität weicht vom Körper/biologischen Geschlecht ab und die Perspektive Körper weicht vom Geschlecht ab treffen auf einander und markieren dadurch eine Konfliktlinie. Als Ergebnis dieser Konfliktlinie kann beispielsweise Streit entstehen. Die Folge kann sein, dass Anhänger der einen Perspektive dann diejenigen, mit der anderen Perspektive dann aus Diskursen ausschliessen. Das passiert ATME immer wieder. Unser Anspruch ist es, den Diskurs über diese Konfliktlinie zu beginnen und daran zu arbeiten Lösungen zu finden. Deswegen sprechen wir auch von LSBTTIQ beispielsweise, um anzuerkennen, dass es sicher Sinn machen kann, über abweichende Identitäten zu sprechen, es aber eben auch Menschen gibt, die wissen, dass ihr Körper von ihrem Geschlecht abweicht. Unser Ansatz war und ist: Warum können Menschen mit Körperthema nicht auch sichtbar sein?

Leider erleben wir, dass die Anerkennung der beiden Perspektiven in unserer Gesellschaft unterschiedlich ist. Eine Weltanschauung, die Genitalien zu "biologischen Geschlechtern" erklärt und zugleich Gender-Rollen erfindet in denen es dann so etwas gibt, wie "Mädchenverhaltensweisen" oder "Jungsverhaltensweisen" ist die vorherrschende Perspektive. Wir haben diese Perspektive als Teil einer Übergriffskultur bezeichnet, da hier das Deuten von Geschlecht als wichtiger erachtet wird, als die geschlechtliche Selbstaussage eines Menschen. Diese Geschlechterdeutungsperspektive hat zu Regelungen geführt, in denen das Geschlecht auch staatlich gedeutet wird, bei der es in der Praxis dann tatsächlich auch immer wieder zu konkreten Übergriffen kommt, wie bei Begutachtungen durch Psychiater, wenn es um Personenstandsänderungen geht, im Rahmen von körperlichen Untersuchungen oder sogar im Zusammenhang mit der Zurichtung von Neugeborenen, die angeblich ein "uneindeutiges Geschlecht" (da steckt Deutung drin!) mitbringen.

Wir vertreten die Ansicht, dass die Deutung von Geschlecht IMMER weniger Wert sein sollte, als die Aussage, die Menschen selbst über ihr Geschlecht treffen!

Unsere Haltung lautet: Ein Körper kann vom eigentlichen Geschlecht eines Menschen abweichen.

Die Konfliktlinie zwischen der Erzählung "Identität weicht vom Geschlecht ab" und der anderen Perspektive "Körper weicht vom eigenen Geschlecht ab" ist also eine, die - insofern nicht Möglichkeiten gefunden werden, wie beide Perspektiven in unserer Welt vorkommen können - massives Streitpotential mit sich bringt. Lösen lässt sich das nur, indem Menschen miteiander sprechen. Lösen lässt sich das nicht, indem Menschen, welche die Haltung mitbringen, dass Körper vom eigenen Geschlecht abweichen aus Diskursen ausgeschlossen werden. Lösen lässt sich das nicht, indem Menschen, die sagen, dass es so etwas wie "Transsexualität" gibt, unsichtbar gemacht werden. Lösen lässt es sich nicht, indem Menschen mit Transsexualität als Beleidigung empfunden werden, bloss weil ihre Existenz nicht zur Erzählung passen mag, in der transsexuelle Menschen bisher gar nicht vorkommen!

Wir wünschen uns für 2018 einen echten Diskurs.

Streicht Gelder für Initiativen, die Transsexualität nicht anerkennen können!

Die Fachgruppe "geschlechtersensible Pädagogik" auf Facebook ist Teil des vom BMFSFJ (Bundesfamilienministerium) geförderten Projekts meinTestgelände (www.meinTestgelaende.de). Mitglieder von ATME sind aus dieser Gruppe ausgeschlossen worden. Wahrscheinlich wegen dieses Beitrags: https://www.facebook.com/atme.ev/posts/10156114703936454. Vielleicht sollte man solchen Projekten die Fördergelder streichen?

Es ist dann doch eher traurig, wenn Unsichtbarmachung so weit geht, dass auf eine Kritik an Unsichtbarmachung mit Unsichtbarmachung reagiert wird.

Und dafür gibt es Geld vom Staat? Ernsthaft?

Warum erwähnen wir das? Weil es aus unserer Sicht nicht sein kann, dass öffentliche Gelder dafür verwendet werden, um Menschen unsichtbar zu machen. Dieses Prinzip ist leider zur Zeit allgegenwärtig - nämlich immer dann, wenn Menschen, die eigentlich Geschlecht XYZ angehören und das mit ihrem Coming Out beginnen anzuerkennen, Menschen gemacht werden, die nicht XYZ seien, sich aber als XYZ identifizierten ("Geschlechtsidentität"). Da ist dieses Projekt "mein Testgelände" leider kein Einzelfall.

Es wäre schön, wenn die Richtlinien zur Vegabe von Fördergeldern so geändert werden, dass nur Projekte Förderung erhalten, die geschlechtliche Selbstbestimmung ernst nehmen. Die Unsichtbarmachung von LSBTTIQ oder Teilen davon (wie beispielsweise dem zweiten T) steht regelmässig im Widerspruch dazu. Wenn aber Politik dazu da ist, Menschen in ihrem Sein ernst zu nehmen, dann muss - insbesondere, wenn es sich um einen sensiblen Bereich handelt wie Geschlecht - die Ernsthaftigkeit bei diesem Thema grösser sein, als das bisher der Fall zu sein scheint.

Es ist nicht in Ordnung, wenn staatliche Gelder verwendet werden, um Emanzipation zu verhindern. Ob diese Verhinderung nun unter dem Namen "mein Testgelände" stattfindet, oder andere Gruppen und Initiativen unterstützt werden, die ähnliches machen... es ist falsch.

Das BMFSFJ schrieb am 09.09.2013 dazu: "Die neue Plattform ist ein Ergebnis der Empfehlungen des Beirats Jungenpolitik. Der paritätisch mit Erwachsenen und sechs Jungen besetzte Beirat Jungenpolitik war Ende 2010 von Kristina Schröder berufen worden. " Kristina Schröder, CDU, war damals Familienministerin.

Wenn wir eine Liste machen würden, mit Projekten, denen öffentliche Gelder gestrichen werden sollten, sind es all diejenigen, die nicht von LSBTTIQ sprechen und Transsexualität bewusst umdeuten zu einer Frage der Geschlechtsidentität. Vielleicht sollte darüber ernsthaft nachgedacht werden. Viele Verantwortliche solcher Initiativen fallen dann gerne auch dadurch auf, dass sie "Victim Blaming" und "Tone Policing" betreiben.

Es ist gut jetzt.